Wenn die Strumpfhose zu kurz ist

Ich fantasiere mich in die hoheitliche Situation, eine Rede zu halten. Ich trage ein schwarzes sittsames Kleid, einen roten Schal und eine rote Wollstrumpfhose. Und ich referiere zum Thema Finanzierung im Bildungswesen.

Nach erfolgreicher Faktenwahrsagerei und schmissigen Argumenten (ich zitiere gern den Landesrechnungshof mit ihrem Bericht aus 2018, den wiederum meine persönlichen Freunde vom Philologenverband als „unseriös und realitätsfremd“ bezeichneten, dieselben Burschen, bei denen man meinen könnte, sie orakelten bei der Rechtschreibreform 1996, die Welt ginge nun unter, die Migrationsquoten befürworten würden und ansonsten auch nur gut fänden, was rückständig ist und traditionell), konstatiere ich locker aus der etwas ungelenken Hüfte und das hat Gründe wie folgt:

Das mit der Finanzierung ist wie mit dieser Strumpfhose hier. Oberflächlich gesehen ist sie da und sie passt. Der Laden läuft. Also ich jetzt. Aber (Pause), meine sehr verehrten Zuhörer:innen, dieses Bild zeigt nur einen gefährlichen Ausschnitt der Gesamtgemengelage! In Wahrheit ist es so, und das können mir all diejenigen bestätigen, die auch schon mal Strumpfhosen getragen haben, alle anderen bitte ich, sich in das Ganze mal direkt und haptisch hineinzuversetzen: Natürlich kann ich hineinschlüpfen, eher hineinzwängen und reißen und ziehen und natürlich bedeckt die Strumpfhose meine Beine, aber (Pause) sie ist zu kurz, zu wenig, zu knapp, oben, wo man es nicht sieht, da hängt sie auf halb Acht, 5 vor 12. Sie ist so straff gezogen, man kann quasi durchgucken. Und wer jetzt meint, geht doch, sieht man nicht, das reicht doch, dem sei versichert, es geht nicht, ein Bücken, eine Wegstrecke, Durststrecke, ein bisschen nur Laufen, es geht nicht. Es passt nicht. Man hält verzweifelt fest, was einem zu entgleiten droht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Das führt zu Folgeproblemen.
Was wir brauchen, ist ein Modell, dass zur Größe passt mit etwas Luft für all die Bewegungen, die dazugehören. Sonst wird das nichts, man hat immer Angst zu straucheln und zu fallen, oder man lebt mit der Gewissheit, jemand wird es bemerken und man beginnt sich seltsam zu verhalten, es zu vertuschen, damit andere nicht denken, man sei zu geizig oder zu bequem, zu tun oder zu bezahlen, was dafür notwendig sei.

Aber warten Sie, da fällt mir was ein, kleinen Moment bitte, gleich bin ich wieder da. (Geht ab, kratzt sich an der Strumpfhose, läuft komisch, lässt was fallen und bückt sich umständlich, um es aufzuheben, zieht am Strumpfhosenbund und rafft am Unterschenkel, aber hochnäsig und ohne Scham.)

(Kommt wieder nach kurzer Abwesenheit recht steif in der Hüfte wieder) Kennen Sie diese Wenn-ich-das—vorher-gewusst-hätte-Videos? Da wird auf Superman und Batman verwiesen und dass über die Strumpfhose noch eine Unterhose gezogen werden sollte. Jetzt rutscht es nicht mehr. Body forming shape wear!

Aber wie man das jetzt für Bildungsfinanzierung benutzen kann, das würde mich noch interessieren, Sie nicht? Denn da rutscht uns grad alles weg, befürchte ich. Keine Ahnung, was man da machen kann. Sie etwa? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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