Übermorgen Abordnung? Ich mach´s!

Kürzlich hat mich jemand gefragt, ob ich zu impulsivem Verhalten neige, ich antwortete schnell: Nein!

[Folgende Gedanken sind Originalgedanken von vor der einjährigen Abordnung, die wiederum schon mehr als 10 Jahre her ist:]

Ich habe mich freiwillig für eine Abordnung gemeldet, an die Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache sowie Lernen. Abordnungen sind Stunden oder eine ganze Stelle, die an eine andere Schule gegeben werden, da die eigene zu viel und die andere Schule zu wenig Lehrer*innen hat. Man kann sich sicher vorstellen wie begehrt solche Abordnungsangebote sind… ich wusste genau, dass sich keiner meldet, dass alle schnell unauffällig irgendwohin gucken und die Schulleitung uns zwingen wird in einer stundenlangen und zähen Sonderdienstbesprechung das Für und Wider durchzukauen, bis sich einer meldet. Ich habe die richtige Fächerkombination und habe die Schulleitung ein bisschen angestarrt, obwohl ich auch nicht gern gehe, aber es handelt sich um eine 2. Klasse mit Kindern mit dem Förderschwerpunkt Sprache, die auf Grundschulniveau unterrichtet werden sollen. Die sind doch wohl süß! Klassenlehrerin, jaja! Fast ne ganze Stelle, den Rest der Stunden (6) verbleiben in der Stammschule. Und eine Kollegin ist sauer, da ich nun doch nicht ihr Team verstärken werde. Meine 6 Stunden Stammschule lege ich schön in so Schlabberunterricht, denn die Abordnung ist nochmal richtig schwer für mich, ich weiß es seit heute und fange übermorgen an, habe keine Ahnung von modernen Grundschulinhalten, deren Rahmenrichtlinien und Arbeit nach Schulbüchern, haha! Da gibts Noten und Diktate und sowas, häh? Ich muss mich sowas von einarbeiten, heijeijei.

Huch, nun soll ich auf einmal auch noch 2 Stunden Kunst in der Hauptschul-Vorbereitungsklasse 10 machen. Die machen einen Abschluss. Ich bin skeptisch. Die wahrscheinlich auch.

[Einige Woche später folgt der Eintrag:]
Schlafmangel, nervende Eltern von nervenden Schüler*innen, kotzender Sohn, schnupfendes Baby, playstationorientierter Ehemann [der Gatte protestiert gerade, das könne man doch so nicht stehen lassen, was vermittele das für ein Bild? Ich antworte: Das Bild eines Vaters in Elternzeit, der sich auch Zeit nimmt für sich, zu recht!], zu viele Pläne, zu wenig Zeit, von Mathe keinen Plan und am Donnerstag soll ich mit 10 zappeligen Kröten beim internationalen Chortreff im Publikum sitzen? Lassos? Fußfesseln? Alleskleber? Ich hab diesbezüglich meine Unterrichtsvorbereitung noch nicht abgeschlossen. Mangels schöner innovativer Grundschulideen habe ich heute ein Diktat schreiben lassen! DESWEGEN bin ich nicht Grundschullehrerin geworden! Aufmunternd reagierte letztens einer meiner Schüler auf meine verstörte Frage, warum er denn seine Hausaufgaben nicht gemacht hätte: „Ach, Frau Enn, sie sind doch die schönste von allen Lehrerinnen, das ist doch nicht so schlimm mit den ollen Hausaufgaben!“ Woraufhin ich grinste und zu Bedenken gab: “Auch Prinzessinnen-Lehrerinnen möchten Hausaufgaben sehen, mein Lieber!”

[Etwas überarbeitet konnte ich noch folgende Eintragung tätigen, wie ich feststelle:]
Ich hab mich dafür ja freiwillig gemeldet und alle atmeten erleichtert auf, dass es sie nicht erwischt hat. Zu Recht wie ich jetzt sehe! Ich habe seit Schuljahresbeginn das Emailkonto voller Elternmails, täglich mindestens ein Anruf von überhaupt keiner bis mittelschwerer Relevanz auch von Eltern, Therapeuten und sogar Nachhilfelehrerinnen (der Gatte erwägt einen eigenen Elterntelefonanschluss, weil es TOTAL nervt, dass die hier zu jeder Zeit anrufen, von morgens bis abends!). Die Kinder sind süß und ich bin zu lebendig für sie, so kleine Kekse gehen ja immer mit und ich hab jetzt Sorge, dass ich sie ein wenig zu sehr überanstrenge mit meiner wuseligen, lauten und theaterspielenden Manier! Wir lachen viel und eine Mami hat mir gesagt, man merke, dass sich die Kinder schon verändern und dass das an mir läge, zum Positiven sagte sie, ich: Puh, Glück gehabt! Es sind nur 10 Kinder in der Klasse, aber leider haben die gar nicht so sehr ein Sprachproblem als vielmehr teilweise eher Schwierigkeiten im Arbeitsverhalten und Sozialverhalten. Momentan gucke ich, woran das liegt, und was ich da machen kann. Eine Mutter war ganz begeistert von meiner Art, mit ihr zu sprechen über ihren Sohn, dass sie ganz euphorisch meinte, das sei ja wunderbar, wie ich Probleme lösen würde. Noch ist hier nix gelöst, erwiderte ich daraufhin! Immer schön lächeln. Ich nehme das ja auch alles ernst und ich hab den Kalender voller Termine mit Eltern, mit neuen Kolleg*innen und Zeug, aber ich möchte eigentlich lieber wieder zu meinen alten Kolleg*innen. Ich seh die alle gar nicht mehr, obwohl ich zusätzlich auch noch 6 Stunden an meiner alten Schule arbeite, aber nur nachmittags! Das ist so schade, mir fehlt die Zuneigung und das Aufeinander-acht-geben der Kinder an meiner Stammschule. “Normale” sind so egozentrisch! Ich hab jetzt fast 4 Wochen gebraucht, damit die nicht mehr jeden Tag petzen und stänkern… wir schwören uns jetzt so fußballmäßig immer ein, wir sind eine Klasse, wir halten zusammen, wir helfen uns gegenseitig, yeah! Doch, sie verändern sich schon und ich bin so furchtbar erschrocken darüber, wie viel Einfluss so eine Lehrkraft auf das Wesen und die Lernbereitschaft von Kindern hat. Ich könnte ihnen alles versauen! Gute Lehrkräfte sind so wichtig… Meine Hauptschulschergen dagegen sind weniger süß. Aber sie arbeiten mit, das ist doch schon mal was… wir machen Stencils, Schablonengraffiti. Klappt gut! Letzten Montag bin ich kurz am Schreibtisch eingepennt. Hatte also nur eine halbe Vorbereitung. Die Schüler maulten: „Man kann sich ja gar nicht auf Sie verlassen, Frau Enn!“. Daraufhin hab ich nur zurückgemault: “Ihr habt wohl nie einen schlechten Tag oder was, immer schön die Hausaufgaben gemacht, wie, meine Damen und Herren?”. Sie haben dann eine Stunde gearbeitet und dann war sowieso Sense, weil ein Schüler einer anderen Klasse einen Unfall auf dem Schulhof hatte und meine Jungs quasi als Ersthelfer sofort hingesprintet sind, Krankenwagen, tatütata, und dann haben wir nur noch auf der Tischtennisplatte gesessen, uns über PC-Spiele und Beziehungen unterhalten und über den Vorteil von Ausbildungsplätzen und wie Scheibe (sic!!) Hartz 4 ist, wie ich aus eigener Erfahrung anbringen konnte und das Ganze ist entspannt ausgelaufen. Es macht mir Spaß, es ist eine Herausforderung, aber ich komme auch an meine Grenzen, zumal Sohni1 zwar auch gut mitmacht in der Schule, aber organisatorisch und von der Sorgfalt her ist er noch ein Kindergartenbaby, er kriegt nix gebacken, räumt nix auf, alles ist verknickt, durcheinander oder es fehlt was. Der kriegt alles verloren und wundert sich nicht mal! Darüber mache ich mir Sorgen! Sohni2 hat heute seine ersten Schuhe bekommen und ruft immer Mama, Mmmmmaaaaaaammmmmmaaaa!

[Keine Sorge, das war es noch nicht, weitere Teile dieser schönen Erinnerungen (Alarm, Alarm!!!) folgen noch, es war ja schließlich eine einjährige Abordnung!]

Schreibe einen Kommentar