Veränderte Schüler:innenschaft II – die Deutscharbeit

Zwischen 80s-Film(satire) und Deutscharbeit: Schule bleibt Chaos mit Herz. Gewalt, Respektlosigkeit, Frust – aber auch Zusammenhalt, Lachen und Tauben füttern. Die Schüler:innen sind heutzutage nicht schlechter, die Gesellschaft ist in Gänze anders. Und Cyborgs helfen leider nicht.

Gestern habe ich den Film „Die Klasse von 1984“ gesehen. Ich habe ihn tatsächlich nur gesehen, nicht gehört. Denn eigentlich wollte ich Deutscharbeiten korrigieren. Wer das schonmal gemacht hat, weiß, welch nervenaufreibende Angelegenheit dies ist. Da lässt man sich gerne ablenken von der filmischen Perle, die sich mein Gatte mit Kopfhörern gerade reinzieht. 

Schon das Filmplakat überzeugt: vier Rowdys in Punkeroptik, die altersmäßig so gar nicht mehr nach Highschool aussehen, aber wer moniert sowas schon? Bösewichte in den 80er Jahren tragen offenbar ärmellos im Dreieckstyle. Die Kostümbildner:innen hatten Spaß, das sieht man sofort. 

Schnell mal die Eckdaten verzeichnen: der Film ist von 1982, er ist ab 18 eingestuft und Mark L. Lester hat Regie geführt. In den ersten 70 Minuten wird man Zeuge (im Vorspann wird noch darauf hingewiesen, der Film beruhe auf wahren Tatsachen), wie verroht die Jugend 1984 ist. We are the Future – no one can stop us. Die Meute zieht lärmend, rauchend, Gott verunglimpfend und ohne jedes Unrechtsbewusstsein durch die Schule. Alles ist angesprayt, Minderheiten verkaufen Drogen, die Metalldetektoren am Haupteingang werden feist ausgetrickst. Die Kids haben entweder Waffen oder Blasinstrumente dabei. Denn natürlich gibt es ein Orchester, das an einem Wettbewerb teilnehmen möchte. Die mit den Blasinstrumenten müssen täglich Geld spenden an die mit den Messern. Hier brilliert übrigens der noch etwas bübliche Michael J. Fox und in einer Cameorolle Keanu Reeves, der nicht anderes macht als blass und schmal Violine zu spielen. Der junge, motivierte Lehrer-Kollege Norris nimmt die bösen Schwingungen auf und widmet sich der Jugend mit Hingabe. Sein Kollege, der sich vor lauter Verzweiflung erst in den Alkohol rettet und dann wahnsinnig wird, trachtet der Brut nach dem Leben. Mr. Norris erkennt die Gefahr und versucht Einhalt zu gebieten. Dabei gerät er selbst und auch seine Frau ins Visier der Missetäter. Die letzten 20 Minuten rattert er das volle Gewaltprogramm ab und zeigt der Jugend in den endlosen Schulfluren, wie man in Amerika pädagogisch wertvoll handelt. Und das passiert, während in der Aula das Orchester alles gibt. 

Meinen Mann beschäftigte am Ende die Frage, ob sich das Ensemble für den Wettbewerb qualifizieren konnte. Ich blicke auf meine Deutscharbeiten und frage mich, warum immer die derzeitige Generation Schüler:innen für die schlimmste und übelste Sorte gehalten wird.
Tatsächlich leide ich gerade sehr darunter, wie sich die Schüler:innen untereinander und dem Eigentum anderer gegenüber benehmen. Ich glaube nicht, dass es irgendwann schlimmer oder die Kinder und Jugendlichen schlechter waren. Früher hat man ihnen nur mehr Angst gemacht, glaube ich. Die meisten sind angepasster gewesen, das bricht heute mehr und mehr auf. Antidemokratische Haltungen und kein Respekt vor persönlichem Besitz, das fällt mir auf, das war aber wahrscheinlich auch schon immer so. Kinder ihrer Generation. Aber ich beobachte auch anderes: Kinder, die sich helfen, die einander beistehen und ermutigen. Kinder, die am Bahnsteig ewig Spaß daran haben, eine aufdringliche Taube mit Brotkrumen zu füttern. 

Es gibt übrigens eine Fortsetzung des Films. „Die Klasse von 1999“, ein Film vom selben Regisseur aus dem Jahr 1990. Die Lehrkräfte wurden darin offenbar durch Cyborgs ersetzt. Die Zustände sind nämlich noch schlimmer geworden an den Schulen. Da brauchte wohl es mehr mechanische Tatkraft, um zu erziehen, was sich noch erziehen lässt. 1999 habe ich übrigens Abi gemacht. Heute denken wir über KI in der Schule nach, die meisten noch sehr zögerlich und zerrissen. Auch der Lehrkräftemangel hackt rein, in nahezu jeder Schulform. Die Cyborgs helfen da überhaupt nicht, würde ich mal sagen, aber wer weiß, was in einigen Jahrzehnten los ist. War‘n Scherz, Schule ist dann immer noch so wie heute, wir haben nur bessere Werbekampagnen für den Job und jede:r hat dann ein Endgerät, aber ein flächendeckendes Internet sehe ich noch nicht für Deutschland, überall, nur nicht hier, haha. 

Die Arbeit ist übrigens ganz gut ausgefallen. Obwohl ich sagen muss: oweiowei, die Rechtschreibung, ja, also die Rechtschreibung, das wird ja von Jahrgang zu Jahrgang schlim💥🧨🤯, ja ja, ich hör ja schon auf. 

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