Ramadan kareem

Ich war kürzlich übereifrig. Ramadan ist immer eine sensible Zeit. Es gibt ja immer wieder Diskussionen darüber, ob Kinder am Fastenmonat mitmachen sollen. Und die sind nicht alle so respektvoll, wie sie sein sollten. Ich habe alle Hände voll zu tun zu erklären, dass die Kinder und Jugendlichen nicht gezwungen werden, sondern es als Ehre und Pflicht ansehen im Sinne ihres Glaubens. Woher ich das weiß? Weil ich einfach nachfrage. Kinder wie Eltern – weil wir eine ziemlich offene Gesprächskultur pflegen.

Lehrkräfte reagieren manchmal ein bisschen ablehnend oder verächtlich oder sagen: Also ich versteh das nicht! Ich würde es ja nicht machen.
Müssen sie ja auch nicht.

Eine Schülerin kommt ab jetzt mit Kopftuch zur Schule. Eine Kollegin guckt mich in der Jahrgangsstation mitleidig an und sagt: Jetzt ist es so weit!
Und ich sage: Ich freue mich für sie! Sie wünscht es sich, es ist ihre Entscheidung. Und sie redet schon seit der 6. Klasse davon, wie sehr sie sich darauf freut. Das war vor mehr als zwei Jahren. Das Mädchen erklärt mir noch, dass ihre Familie eigentlich immer noch sagt, sie brauche das Kopftuch noch nicht zu tragen.

Es ist ein Vorurteil, das Kopftuch nur als Zeichen von Unterdrückung aufzufassen. Ich erkläre das der Kollegin. Sie guckt beschämt. Das tun nicht alle.

Ich finde die Gespräche wichtig! Aber auch klare Ansagen:
Unten im Keller, wo die Sandwiches verkauft werden: Ich geh zur Schulbibliothek und schmeiße unterwegs Schüler*innen raus, denn es ist Pause und die Sandwiches sind alle. Ein Grüppchen weigert sich mit der Begründung: Ey, es is Ramadan, da geh ich doch nicht raus!
Ich: Häh? Hier riecht es voll nach Käse und draußen ist schöne frische Luft, Ramadan geht überall, es ist Pause und jetzt raus!!
Alle maulen.

Ich hab auch schon von Schüler*innen gehört, dass sie es unfair finden Klassenarbeiten schreiben zu müssen während Ramadan. Wir bequatschen das meist recht kurz: Von Klassenarbeiten handeln die Regeln nicht. Das gehört dazu!

Ich habe zu der ganzen Thematik vielfältige Gedanken, aber Grundlage ist immer der Wunsch nach Toleranz. Den ich dadurch vorlebe, indem ich tolerant aber auch kritisch bin. Jedes Mädchen, nicht nur das mit Kopftuch, braucht starke Vorbilder und Erfahrungen mit Toleranz, Austausch und Kritik. Die Freundin des Mädchens fragt mich: Zu welcher Religion gehören Sie? Ich antworte: Ich hab keine! und es entwickelt sich ein Gespräch, ein regelrechter Austausch, der so breit und zugewandt geführt wird, dass ich ganz stolz bin auf die Jugendlichen und mich selbst. Wir sollten einander mehr fragen und Dinge erzählen.
Wichtig ist mir, dass dies bezogen auf unsere Situation hier in Deutschland zu verstehen ist, auf Offenheit, Religionsfreiheit und Freiwilligkeit. In anderen Kontexten sieht das ganz anders aus. Das weiß ich und auch das wird mit Schüler*innen thematisiert.

Ich merke, dass es die Kinder freut, wenn man wahrnimmt, dass sie sich mit ihrem Glauben beschäftigen. Ich sage zu einer anderen Schülerin: Eid Mubarak!
Und sie grinst mich an und antwortet: Das ist ja richtig lieb von Ihnen, Frau Enn, aber das Ramadanfest ist noch nicht. Jetzt sagt man noch Ramadan kareem. 🫣

 

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