Probleme der Zukunft

Meine Kinder in der Theater-AG haben ihr Stück selbst geschrieben und inszeniert. Einzig das Oberthema habe ich vorgegeben: Zukunft! Die Story ist wild, aber was mich noch mehr beeindruckt, ist der Titel, den sie ersannen. Problems of the Future. Weil man ja immer sagen würde, dass das jetzt noch gar nicht wichtig wäre, so die Kinder – Fünft- und Sechstklässler wohlgemerkt. Oder dass es sie erst in Zukunft betrifft. Dabei ist es schon jetzt wichtig.

Da muss ich ja mal aufhorchen. Was würde ich jetzt in den Fokus nehmen, wenn ich Politik machen würde? Was spüre ich gerade in der Schule?

Vor allem den Einfluss sozialer Medien auf Aufmerksamkeit, Fokus und die Grundbedürfnisse. Kinder und Jugendliche sind ungefiltert aufblühendem Rechtsextremismus, dem Glauben an Verschwörungstheorien, unheilvollen Körperbildern und irritierendem Konsumverhalten ausgesetzt. Ihre Zukunftsvorstellungen sind nicht mal mehr verwegen oder unrealistisch – es gibt eigentlich keine mehr. Schultoiletten sind offenbar seit ihrer Erfindung nicht geruchsarm zu halten. Lehrkräfte sind ausgebrannt und daher auch nicht mehr für Fortbildungen etc. zu begeistern. Es ist Dienst nach Vorschrift, mal mehr, mal weniger. Man blickt irgendwie trauriger in die Welt. Und das, obwohl man die Zukunft des Landes unterrichtet!

Mir fällt ein Lied ein, das ich gerade sehr mag. Der letzte Song von KUMMER. Der Text ist super. Und ich so mit hängenden Schultern auf dem zubetonierten Schulhof, nachdem ich die Jungstoilette hochnehmen musste, weil da offensichtlich gevaped wird: „Alles wird gut, die Menschen sind schlecht und die Welt ist am Arsch….“

Wer will denn noch Lehrkraft werden? Ständig ist die Bildung in den Medien, eine schlechte Nachricht reiht sich an die nächste. Die vielen guten Geschichten, die tollen Erlebnisse in Schule, die nachdrücklichsten Momente und saugute Stunden, darüber spricht keiner mehr. Viele Verbände, Stiftungen und Kommissionen haben im vergangenen Jahr darüber nachgedacht, was man gegen den Lehrkräftemangel tun kann (oder was man tun kann, um noch mehr Lehrkräfte zu vergraulen) Herausgekommen ist bislang noch nichts, aber ein paar schöne lange Empfehlungen gibt es. Ich grolle. Ich verzweifele nicht, denn das macht eigentlich kaum jemand, weil es nichts bringt. Man arbeitet weiter und sieht zu, dass man das Beste rausholt. Es ist zu viel und zu anstrengend, weil sich die Gesellschaft wandelt und das Schulsystem sich nicht wandelt. „Das System ist defekt, die Gesellschaft versagt. Aber alles wird gut.“

Und dann ist wieder Mittwoch und ich hab AG. Die Kinder sind phänomenal.
Sie denken sich Szenen aus und improvisieren (!) den Text in der Textbauphase aus der Hüfte heraus. Ich sitze (meist an der Heizung), kritzele Notizen ins Clubheft oder staune, lache, rufe zu meiner Regieassistentin „Hast du das drauf? Bitte hab das drauf, ich schreib es zuhause auf!!!“, denn die Achtklässlerin, die mir freiwillig in ihrer Freizeit hilft, filmt alle Improvisationen. Die Kids räumen den Requisitenraum auf, nachdem sie darin gespielt haben in den Pausen, sie bieten mir Hilfe an, den Bereich Theater beim Tag der offenen Tür zu betreuen. Wir haben ein Freundebuch für alle Freunde des Theaterclubs, ich schließe die Bühne immer schon etwas früher auf und die Kinder können rein. Einige verkleiden sich und spielen frei, andere tanzen oder malen. Ich sitze an der Heizung und plane vor mich hin. Wir erzählen uns Dinge. Letztens habe ich Datteln mitgebracht und wer wollte, durfte probieren. Bei der letzten Probe (wir machen immer Zucker- und Zitronenmomente) merkte eine Spielerin an, das Angebot an selbstgebackenen Keksen könnte größer sein! Diese Schlingel!

Schule ist Lebensraum. Und Schule bereitet Zukunft vor. Und ich bin begeistert von den Kindern, mit wie viel Durchblick sie schon erkennen, was gut tut und was sie sich wünschen, nicht nur für sich, sondern auch für die Gemeinschaft. Wenn man sie fragt.

Probleme der Zukunft, daran muss ich jetzt viel öfter denken. Denn im Jetzt ist so viel mehr wichtig, als man denkt. Die Kinder wissen das. Ich wünsche der Politik mehr Mut und Weitsicht. Vor allem über eine oder drei Legislaturperioden hinaus.

Wird alles gut?

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